Wie die Digitalisierug den Bewerbungsprozess verändert
„In 10 Jahren gibt es kein Bewerbungsgespräch mehr.“ „HR Abteilungen werden in den nächsten Jahren mehr als 50% der Mitarbeiter abbauen.“ „Der War of Talents spitzt sich zu.“ So und ähnlich lauten die Schlagzeilen, wenn es um die Folgen der Digitalisierung im Bewerbungsprozess geht.
In den letzten Wochen habe ich mir diese Themen näher angesehen, da ich die Chance hatte, ein paar High-Tech-Firmen und die Stanford University im Silicon Valley zu besuchen.
Die optimierte Stellenausschreibung
In Kalifornien gibt es aufgrund der Vielzahl exzellenter Universitäten, der Ansiedlung internationaler Topfirmen und nicht zuletzt durch eine vitale Start-up Szene viele Menschen unterschiedlichster Religion und Nationalität, die flexibel und hoch motiviert nach ihrem Traumjob suchen.
Um möglichst viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber anzusprechen, verwenden immer mehr amerikanische Unternehmen Algorithmen für die Formulierung der Stellenausschreibung. Damit wird sichergestellt, dass sich Männer wie Frauen, Europäer wie Asiaten, Katholiken wie Hindus von der Anzeige angesprochen fühlen und sich auf die Stelle bewerben. Zwei Effekte resultieren daraus: 1) die Unternehmen fischen im größtmöglichen Talentepool und 2) Diskriminierung findet nicht statt, da Kompetenzen und Erfahrungen der Jobsuchenden im Mittelpunkt stehen und nicht Herkunft, Geschlecht oder Nationalität.
Die optimierte Bewerberauswahl
ATS (Applicant Tracking Systems) sind in Europa seit längerem in Einsatz. Sie scannen die Bewerbungsunterlagen mit definierten Algorithmen nach Schlagwörtern und selektieren für die nächsten Schritte vor.
An der Universität Stanford mit ihren rund 16.000 Studierenden ist man bei der Bewerberauswahl weiter. Hier sind vorausschauende Methoden im Einsatz, die Aussagen treffen können, wie Studierende aus bestimmten Colleges abschneiden werden. Dies ist aber nicht das einzige Auswahlinstrument. Ein Team von 40 Leuten prüft Noten und Empfehlungsschreiben und sorgt dafür, dass nur rund 4% der jährlichen Bewerbungen pro Jahr erfolgreich sind.
Auch im Hinblick auf die Analyse der Bewerberinnen und Bewerber gibt es weit fortgeschrittene digitale Anwendungen. IBM Watson beispielsweise bietet ein cloud basiertes Service an, mit dem Jobsuchende in ein paar Sekunden psychologisch analysiert und bewertet werden. Für die Analyse sind rund 6.000 Wörter notwendig und hat der Bewerber eine eigene Homepage und ein paar Profile in den sozialen Medien, gibt es genug Futter für die künstliche Intelligenz. Die grafische Aufbereitung der Persönlichkeitsstruktur und konkrete Empfehlungen sind inkludiert und erscheinen im Vergleich zum herkömmlichen Auswahlprozess mit Persönlichkeitstests, Feedbackgesprächen und Interviews sehr effizient.
Was bedeutet diese Entwicklung für Jobsuchende und Unternehmen?
Die Unternehmen haben die Möglichkeit, den Bewerbungsprozess von der Ansprache und bis zur Auswahl weiter zu optimieren und auch deutlich zu verkürzen. Ein Gespräch, um die „soft facts“ abzuklopfen, wird es weiterhin brauchen. Denn: Ob Jobsuchende tatsächlich ins Team passen und wirklich hochmotiviert sind, können aus meiner Sicht nur erfahrene Recruiter und Recruiterinnen feststellen.
Für die Bewerberinnen und Bewerber bedeuten die digitalen Tools, dass einerseits die Stellenanzeigen besser formuliert werden und andererseits, dass sie sich noch stärker als bisher mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen auseinandersetzen werden. Um im Bewerbungsgespräch zu punkten gilt es, die Stärken mit konkreten Beispielen zu hinterlegen und mit authentischen Geschichten die Interviewer und Interviewerinnen zu emotionalisieren. „Teamorientiert“ kann vieles bedeuten, aber wenn in einem kritischen Projekt herausgearbeitet werden kann, was der konkrete eigene Beitrag war, um die Situation zu retten, wird aus einem Schlagwort eine nachvollziehbare Stärke.
Lesen Sie mehr zum Thema Bewerbungstrends im online Standard Artikel vom 3. Jänner 2018.